Im Volksmund heißt es oft, dass die Jugend von heute sich nicht für Politik interessiere. Diese These erweist sich in einigen Fällen mit Sicherheit als wahr. Als Jugendli- che interessieren wir uns meist nicht für Politik, weil wir keinen direkten Bezug dazu haben, was in Berlin oder Brüssel passiert. Ich muss zugeben, dass ich mich mit sieben Mitschülerinnen recht blau- äugig für ein Projekt bewarb, bei dem man „Politik mit Jugendlichen aus ganz Europa auf Englisch disku- tiert“. Das European Youth Parlia- ment ist als Schulprojekt für junge Menschen, die sich aktiv an der Mit- gestaltung der Zukunft beteiligen wollen, konzipiert. EYP zu beschrei- ben ist schwierig, da man die Begei- sterung, die uns Teilnehmer verbin- det, erst verstehen kann, wenn man selbst an einer der über ganz Euro- pa verteilten Veranstaltungen teilge- nommen hat. EYP geht weit über die Simulation des Europäischen Parla- ments und politische Bildungsarbeit hinaus. Politik und die englische Sprache bringen uns zwar zusam- men, aber was zwischen verschiede- nen Debatten und Aktivitäten ge- schieht, ist europäisch interkulturel- ler Austausch zwischen hochmoti- vierten Jugendlichen aus ganz Europa. In kürzester Zeit werden Freundschaften geknüpft, die oft über sehr lang erhalten bleiben. Mittlerweile kann dieser Verein eine stolze Zahl von 36 Mitgliedsländern und jährlich über 20.000 Mitwir- kende vorweisen. „You are the lea- ders of this new world, the more you serve, the more effective you will be as a leader“, Worte Tex Gunnings, einem Vorstandsmitglied vom Indu- strieunternehmen Akzo Nobel, einem der Hauptsponsoren der Sit- zung in Amsterdam. Amsterdam war der Höhepunkt meiner bisherigen „Laufbahn“ beim Europäischen Jugendparlament. Die Reise dorthin begann jedoch im Februar 2012 im oberbayerischen Traunstein. Für die sogenannte „Regional Session“ qua- lifizierten sich 12 Schulen aus ganz Süddeutschland, eine unter ihnen Seligenthal, als erste Landshuter Schule überhaupt. Unter dem Leit- thema „Responsibilty knows no bor- ders“ debattierten wir Themen, wie den Ausbau der europäischen Infra- struktur, Studentenmobilität oder Krankheiten in der Dritten Welt und das alles auf Englisch. Eine interna- tionale Jury beurteilte nach Kriterien wie Sprachkenntnis, Sachkenntnis und sozialer Kompetenz und wählte sechs Schulen und darüber hinaus zwei individuelle Teilnehmer aus, die an der Nationalen Auswahlsitzung in Berlin teilnehmen durften. Ich war zunächst überrascht, aber auch zu- tiefst geehrt, ausgewählt worden zu sein. In Berlin wurden unter dem Thema „Thinking outside borders“ Angelegenheiten wie Frauen in der arabischen Welt, Handelsbeziehun- gen zu Russland oder Atomwaffen im Irak debattiert. Jede EYP Sitzung beinhaltet drei Grundelemente. Nachdem man eines der Themen voraus ausgesucht und sich intensiv vorbereitet hat, durchläuft man die Phase „Teambuilding“, in der man die anderen Teilnehmer näher ken- nen lernt und „Committee work“, die Ausschussarbeit, in der nach hitzi- gen Debatten eine Resolution erar- beitet wird. Diese beinhaltet die vom Ausschuss gesammelten momenta- nen Probleme und Fakten des The- mas sowie dessen Lösungsvor- schläge. Die Resolutionen werden in der „General Assembly“, der parla- mentarischen Vollversammlung de- battiert. Verschiedene Reden werden gehalten und andere Ausschüsse versuchen in einer offenen Debatte die Resolution anzugreifen, die vom eigenen Ausschuss verteidigt wer- den muss. Zum Schluss der Debat- ten jedes Themas dürfen alle Dele- gierten abstimmen, ob die Resolu- tion angenommen oder abgelehnt wird. Die von der „General Assem- 110 Gymnasium der Schulstiftung Seligenthal Jahresbericht 2012/2013 Schule ist mehr Europäisches Jugendparlament Das Europäische Jugendparlament: Eine Reise von Traunstein nach Amsterdam 001-139_GYM_Vers.24_Layout 1 03.07.13 10:41 Seite 110