Fürstliche Jahrtage im Kloster Seligenthal
Was ist überhaupt eine Jahrtagsstiftung?
Bei einem Jahrtag handelt es sich um einen jährlich stattfindenden Gedenk- und Bittgottesdienst, bei dem einem oder mehreren verstorbenen Stiftern sowie meist auch deren Familien gedacht und für deren Seelenheil gebetet wird. Dafür wird z. B. einem Kloster von einem Stifter zunächst eine reiche Schenkung gemacht, welche „Seelgerät“ genannt wird. Bei diesen Seelgeräten kann es sich neben Grund und Boden sowie Sachgütern auch um Geld handeln. Im Gegenzug verpflichtet sich das Kloster, für das Seelenheil des Stifters und dessen verstorbene Angehörige zu beten.
Welche großen Jahrtage wurden im Kloster Seligenthal begangen?
Nach Gründung des Klosters Seligenthal erfolgten viele Schenkungen der Wittelsbacher und anderer Adeliger an das Kloster, wobei diese größtenteils mit der Stiftung eines Jahrtags verbunden waren. Laut Aussage der Klosterchronik aus dem 17. Jahrhundert stechen hierbei besonders die drei fürstlichen Jahrtage hervor:
So handelte es sich bei dem ersten im Juli um den Jahrtag der Fürstin Margarethe von Friedberg. Diese heiratete jedoch zwar einen Adeligen, aber nicht fürstlichen Mann, und wurde deshalb von dem bereits gestifteten Jahrtag ausgeschlossen.
Der zweite fürstliche Jahrtag wurde zu Ehren der Klostergründerin Ludmilla von Böhmen an ihrem Todestag, dem 08. August 1240, eingerichtet. Ludmilla stiftete ja 1232 das Kloster Seligenthal, damit die Schwestern dort auf ewig für das Seelenheil ihrer Familie beten.
Der dritte und größte fürstliche Jahrtag entstand, weil die Abtei Seligenthal von Mitgliedern des Hauses Wittelsbach viele weitere Schenkungen erhielt, welche meist mit einer Jahrtagsstiftung verknüpft waren. Diese zahlreichen Jahrtage wurden dann von den Nachfahren Ludmillas, den Herzögen Heinrich XIV., Otto IV. und Heinrich XV. von Bayern im Jahr 1320 zu einem großen Fürstenjahrtag zu Ehren aller verstorbenen Wittelsbacher zusammengefasst. Dieser wurde, wie urkundlich festlegt, jährlich am Tag nach St. Bartholomäus, also am 25. August begangen.
Später stiftete der in Landshut heute noch sehr bekannte Herzog Ludwig der Reiche laut Seligenthaler Klosterchronik im Jahr 1455 einen weiteren ewigen Jahrtag am 25. August, welcher aufgrund des Datums eine Ergänzung bzw. Bekräftigung des 1320 gestifteten Fürstenjahrtag zu sein scheint. Bei diesem Jahrtag soll nämlich ebenfalls sämtlichen verstorbenen bayerischen Fürsten, welche im Kloster Seligenthal ihre letzte Ruhestätte haben, gedacht werden. Dies bezeugen auch etliche Jahrtags- und Verkündbücher im Klosterarchiv.
Wie lief der Fürstenjahrtag der Wittelsbacher ab?
Ausgehend von der entsprechenden Urkunde vom 23. April 1320 und den Aufzeichnungen in der Klosterchronik soll nun gezeigt werden, wie der große Fürstenjahrtag der Wittelsbacher und die zugehörigen Feierlichkeiten abgelaufen sind:
Im Vorfeld mussten natürlich Einladungen verschickt und umfangreiche Vorbereitungen getroffen werden. Denn während des Jahrtags war das Kloster auch für die Unterbringung und vollständige Versorgung der eingeladenen Gäste, ihres Gefolges sowie deren Reit- und Wagentiere zuständig.
Dem Jahrtag vorausgehend wurden immer am Sonntag vor St. Bartholomäus die Namen aller Verstorbenen aus dem Haus Wittelsbach von der Kanzel verlesen und ihnen in einem Gebet gedacht. Am Abend vor dem 25. August bereiteten sich die Schwestern und die versammelte Gesellschaft mit einem viertelstündigen Glockengeläut sowie mit einer gesungenen Vigil auf den bevorstehenden Jahrtag vor. Dabei ist es von den Stiftern urkundlich genau vorgeschrieben worden, welche vier hohen Prälaten beim Jahrtag anwesend sein müssen.
Am darauffolgenden Morgen begannen dann um 07 Uhr die eigentlichen Feierlichkeiten mit der ersten, von einem Prälaten gehaltenen Messe in der Abteikirche. In der Urkunde wurde festgelegt, dass an diesem Tag insgesamt drei Messen stattfanden, wobei jede einzelne von einem Prälaten gehalten wurde. Das Besondere dabei war, dass die folgende Messe bereits nach der Wandlung der vorherigen Messe begann, sich die Gottesdienste also überschnitten haben. Nach dem Evangelium wurden, wie in der Urkunde vorgeschrieben, die Namen der verstorbenen fürstlichen Personen aus dem Haus Wittelsbach verlesen, um dem Auftrag der Stifter nachzukommen.
In der Urkunde war auch genau festgelegt, wer alles verpflichtend bei den Messen anwesend sein musste: Dazu gehörten neben den vier Prälaten und einigen anderen Würdenträgern, natürlich auch die Klosterschwestern sowie die Gefolgsleute der Zugereisten und die Angestellten des Klosters. Dementsprechend aufwendig waren die Messen, aber auch die Vigil gestaltet worden. So legten die Stifter genau fest, bei welcher Messe der entsprechende Prälat welches Messgewand zu tragen hatte. Die Urkunde schrieb ebenfalls vor, dass die Schwestern bei jedem Jahrtag ein Seidentuch bekamen und dass hundert Pfund Kerzen zum Erhellen der Räume vorgesehen waren.
Nun stellt sich abschließend natürlich die Frage, wie das Kloster dies alles finanziert konnte. Auch dafür hatten die Stifter gesorgt, indem sie in der Urkunde festlegten, dass das Kloster für diesen Jahrtag als Stiftungskapital eine Summe von dreihundert Pfund Regensburger Pfennigen zur Verfügung gestellt bekam. Dies muss damals einer großen Summe entsprochen haben, da der Jahrtag – wie eben beschrieben – eine aufwendige Inszenierung mit vielen Beteiligten gewesen ist.
Julia Hilger und Chiara Schuder